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Das kleine große Ich

Posted in Gespräche, Lebensart, Liebe, and MitMirSelbst

„Ich“, schreit und tobt es in meinem Kopf.
Doch was ist das?
Wer ist „Ich“, was bin ich denn eigentlich?
Der, zu dem ich gemacht wurde?
Der, zu dem ich mich gemacht habe?
Oder der, der ich sein soll?

Was ist denn bloß ständig mit mir?
Wo ich doch im Grunde einfach nur sein will.
Einfach nur sein sein will. Sein, so wie ich bin.
Und es fühlt sich so unendlich gut an, diese Worte auszusprechen.

Alle Töne, Gedanken und Worte. All das gilt immer nur mir, meinem Ich.
Die kleine Welt die ein jeder in seinem Kopf hat und von dem er glaubt, es ist das Universum.

Ich, ich bin ein kleines Zimmer, mit einem winzigen Fenster und einer sehr schweren Tür.
Und ich bin schwach, zu schwach und nicht stark genug um sie zu öffnen.
Die Wände, vollgestellt mit Schränken und Regalen,
voller großer bunten Bildern, vielen Sachen und lautem Gedröhn.
Worin ich alles aufbewahre, was mir wichtig zu sein scheint.
Zu sein scheint.

Wie einfach doch alles ist.
Wenn ich einsam oder traurig bin, verlassen oder enttäuscht,
mich viel zu klein oder zu groß fühle.
Dann greife ich einfach in ein Regal und nehme mir etwas.
Endlich fühle ich wieder etwas und ich werde daran erinnert, das ich bin.

Und manchmal ich zeige es anderen Menschen durch mein kleines Fenster,
damit sie stehenbleiben und mir Aufmerksamkeit schenken.
Wenigstens für einen kleinen Moment. Einen Moment des Glücks.
Für das Gefühl gemocht, wertgeschätzt und anerkannt zu werden.
Manchmal sogar geliebt, so scheint es.
So scheint es.
Bis es sie langweilt und ich laut rufe, ja schreie das sie doch zurückkommen sollen.
Doch niemand hört mich durch das kleine Fenster und die sehr schwere Tür.

Ich, ich bin die Angst.
Die mich daran hindert, einen Schritt herauszutreten und mich umzuschauen
und mich die Tür von innen zuhalten lässt, wenn jemand anderes sie aufreißen will.

Ich, ich bin die Sorge.
Nicht mehr zu sein, wenn ich etwas aufgebe, nicht daran festhalte.
Darum verteidige ich es mit meiner ganzen Kraft.
Es ist mir doch so gegeben worden, es machen doch alle so.
Also scheint es doch nicht schlecht zu sein, oder?
So scheint es doch?

Ich, ich bin die Wut.
Denn auch ich halte die Tür von innen zu wenn jemand versucht, sie zu öffnen.
Mit all meiner Kraft schreie und trete ich um mich.
Und ich warne euch, kommt mir nicht zu nahe.
Denn in meinem kleinen Zimmer, da ist es warm.
Da sind dicke Mauern die niemand durchdringt und wo ich sicher bin,
das sich nichts hinter mir versteckt.
Und mich nichts und niemand verletzen kann.
Auch Du nicht. Und niemand darf mich so sehen wie ich wirklich bin.
Denn ich bin doch nicht gut und muß ständig etwas ändern, sagen Sie.

Ich, ich bin die Enttäuschung
Denn da draußen, außerhalb meines Zimmers ist die Welt schlecht.
Sind die Menschen schlecht. Dort lauert das Böse.
Die Trauer, die Missgunst und die Enttäuschung.
Und wenn ich meiner Angst zustimme, bekomme ich dafür
das gute und vertraute Gefühl der Sicherheit.

Aber ich, bin ich nicht auch der Hunger?
Bin ich nicht auch die Neugier und das Verlangen?
Die Sehnsucht und die Leidenschaft?
Die Kreativität und Inspiration?
Die Beschwingtheit wenn ich für einen ganz kleinen Moment
eins bin mit einem wunderschönen Frühlingstag bin?
MitMenschen zusammen bin, die ich liebe und die mich lieben?
Wenn ich Musik bin, die Farbe die ein Bild malt oder eben auch der Regen.
So wie ich bin und ohne Bedingungen?

Und wenn ich in meinem kleinen Zimmer auf dem Bett liege und
nach oben in den Himmel schaue, dann sehe ich all das und beginne zu träumen.
Von der vollkommenen Freiheit, einfach nur zu sein.
So wie ich bin. 

Denn ich bin nichts und alles, niemand und jeder.
Im Grunde bin ich einfach nur so wie alle.
Die Sehnsucht nach Liebe.

Kai Langenströer

Dieser Beitrag stellt ausschliesslich meine persönlichen Meinung bzw. Wahrnehmung dar. Ich bin weder ein besserer oder schlechterer Mensch als andere Menschen und verhalte mich selbst in vielen Bereichen oft noch viel zu wenig vorbildhaft.